Leben in der Krise - Teil 2:
Wir durften gestern (#24) in das ehrliche Herz eines frustrierten Jeremias blicken. Sein Gebet „Gott, du bist für mich wie ein Betrüger“ haben seine Gefühle, aber auch sein Denken und seine aktuelle Wahrnehmung deutlich ausgedrückt. Nach seinem Gebet ist Gott am Zug. Und Gott antwortet ihm. Vielleicht anders als er und wir es erwarten würden. Vielleicht hätten wir auch eine andere Reaktion Gottes gewünscht. Aber dieser Vers war trotzdem Gottes liebendes Wort an den Mann, der so sehr verwirrt war. Die heutige Deutung des Textes wird auch autobiographisch sein. Denn zu oft befand ich mich in meinen Gebeten direkt neben Jeremia auf der Anklägerbank vor Gott. Wie sah Gottes Reaktion aus?
1. Gott antwortet.
Immer wieder werden wir in unserem Leben an Stellen kommen, wo wir uns vor Gott in der Anklage befinden. Nicht immer sind unsere Gründe so hart, wie bei Jeremia. Aber unsere persönlichen Anfragen „warum Gott?“ sind so dominant in uns, dass wir diese nicht mehr ignorieren können.
Ich bin der festen Überzeugung, denn in jeder meiner Anklagephasen war es irgendwann so, dass Gott antwortet. Aber es ist nicht immer eine Antwort im herkömmlichen Sinne - es ist ein „reagieren“.
Und das tut er. Er reagiert. Nicht immer direkt nach meinem Amen, aber er wird reagieren. Bleiben wir dran. Der Psalmist schrieb mal: „Bis ich ging in das Heiligtum“ (Ps. 73, 17). Und dann bekam er seine individuelle Reaktion. Gott wird sein Kind nicht hängen lassen. Wie auch immer seine Reaktion aussehen mag, als unser Erlöser, der nur unser Bestes will, wird er reagieren. Mir antwortete er durch
- Bibelverse, die so dominant in mir waren, dass ich sie kaum ignorieren konnte - ich wusste er meint mich;
- durch Träume;
- durch ein besonderes Reden seines Geistes;
- manchmal durch übernatürliche Geschehnisse, die mich sprachlos machten;
- durch den Rat anderer (Predigt, Freunde, Bücher)
Wenn ich etwas weiß, dann, dass Gott auf solche Jeremia-Gebete reagiert.
2. Seine Antwort ist selten seine Rechtfertigung auf unsere Vorwürfe.
Gottes Reaktion bei Jeremia (wie auch bei Hiob oder Habakuk 2, 1) bestand nicht in langen Erklärungen. Gott begründet nicht, warum Jeremias Lebensumstände so geworden sind. Und das tut er nach meiner Erfahrung selten. Wenn ich aber ehrlich war, dann wusste ich, dass es keine langen Erklärungen des „warum“ geben konnte. Aber sein Arm um meine Schulter, seine Liebe und seine Beachtung zu erkennen, seinen Atem zu spüren, war genug. Er gab mir durch seine Reaktion das Wichtigste: Wieder Mut, Kraft und Tapferkeit es wieder auszuhalten. „Er gab uns nicht einen Geist der Furcht und Verzagtheit, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Tim. 1,7)
3. Willst du wieder, dann auf.
Nun zu Gottes tatsächlichen Antwort. Sie ist auf den ersten Blick hart und unsensibel. Aber sie ist die Antwort des souveränen Gottes: „Ok Jeremia, triff eine Entscheidung. Willst du wieder, dann lass uns wieder zusammen gehen. Meine Entscheidung zu dir steht noch. Achte nicht auf deine Umstände. Achte auf mich. Du weißt, was du zu tun hast.“
Gott ging überhaupt nicht auf seine Umstände ein, sondern er zeigte alleine auf das gemeinsame Commitment.
Seelsorge einmal ganz anders. Bei mir löste Gott damit Blockaden in meinem Kopf und unterbrach meine Gedankenflut. Während meine Seele nach Antworten lechzte, erinnerte mich Gott an den Tag meiner Taufe. Nach diesem Vers habe ich meine Entscheidung treffen können:
Ich wollte wieder.
Und noch eine Antwort Gottes schauen wir uns morgen an #26.