Was ist das denn für ein Gebet? Eine doch sehr ungewöhnliche Weisheit, die uns hier von Agur als Lebenseinstellung angeboten wird. Passt so gar nicht unsere Zeit. Dennoch, gerade für unsere Generation ist es ein vorbildhaftes Gebet. Wer hat den Mut, das zu beten und zu leben?
1. Zufriedenheit.
Wenn etwas einen glücklichen von einem unglücklichen Menschen unterscheidet, dann ist es das Zufriedensein, das sich Genügen können und das Genießen können. Das ist natürlich leicht gesagt, wenn man gesund ist, einen Partner hat, Erfolg im Beruf erlebt und genügend Geld auf dem Konto ist. Problem ist aber doch, dass wir hunderte Menschen kennen, die das alles in gewissen Maßen haben und dennoch nicht zufrieden sind. Selbst tiefgläubige Menschen. Selbst ich.
Warum aber tun wir Christen uns so schwer mit dieser Zufriedenheit? Agur und Paulus geben uns den Takt vor, wie das aussehen kann. Agur hier in ganz anderen Worten als Paulus viele Jahre später: „Ich habe gelernt mir genügen zu lassen!“ und „ich kann beides, satt sein und hungern.“ (Phil. 4, 11-12)
Wäre das ein Gebet für uns? Würde diese Einstellung nicht unsere Zufriedenheit und damit unser tagtägliches Glücklich sein voranbringen?
2. Zu viel; zu arm - Kennen wir unsere Schwächen?
Agur, der Autor dieses Gebetes und von dem wir sonst nichts aus der Bibel wissen, scheint sich selbst gut zu kennen. Vielleicht hat er aber auch bei seinem Vater oder seinen Freunden gesehen, was das „zu viel“ mit Menschen machen kann. „Zu viel haben“ kann uns überfordern, anständig zu sein und demütig zu bleiben.
Und vor dem „Haben“ steht dann ja auch erst noch die Anstrengungen und der Zeitaufwand, es zu bekommen. Ist dieses Gebet da nicht eine ernstzunehmende Warnung an uns alle?
Und dann das Gegenteil – das „zu wenig“. Wie oft ist der Mangel ein gefährliches Einfalltor der Unzufriedenheit? Agur ist nicht ein Fan von selbstauferlegtem Asketentum. Weil auch dies uns zu sehr ablenkt vom Leben. Vom Leben? Ja, von der Gelassenheit und der Zufriedenheit. „Zu arm“ lenkt uns ab, das zu tun, was uns vor unsere Hände gelegt ist. Es dominiert zu stark unsere Gebete, die sich viel zu oft um unseren Mangel oder den Unterschied zu anderen dreht.
3. Der Charme des Mittelmaßes.
Dieses Gebet ist ein gesunder Einspruch zu dem Motto „schneller, höher, größer, weiter, heiliger“ unserer Tage. Manchmal ist eben auch Mittelmaß göttliche Gnade an uns. Wir sind nicht alle die besten Seelsorger, Prediger, Musiker oder Beter. Genügsamkeit und Annahme unserer Mittelmäßigkeit dürfen wieder neu in Mode kommen; auch die Genügsamkeit und Dankbarkeit für die „Durchschnittlichkeit“ unserer Geschwister, unseres Pastors oder unserem Musikleiter. Vielleicht ist diese Hetze nach mehr als ich brauche und als ich bin ja ein Grund für das verbreitete Überforderungsgefühl in unseren Gemeinden.